Es ist kein
Geheimnis: Der Anteil an Frauen in IT-Berufen ist verschwindend gering. Nicht
nur, dass der Frauenanteil in konkret IT-bezogenen Studiengängen und
Ausbildungsberufen sehr niedrig ist – auch Frauen in eigentlich stark weiblich
geprägten Studiengängen wie BWL oder VWL entscheiden sich nur in den wenigsten
Fällen für eine Karriere im IT-Sektor. Aber warum eigentlich?
Man könnte fast auf die Idee kommen, dass viele Frauen entweder keine Lust auf,
zu viel Respekt oder schlicht Angst vor
der IT haben. In Gesprächen fallen häufig Sätze wie: „Ich
bin zu schlecht in Mathe“, „Ich habe Angst mich zu blamieren“ oder „Ich habe
keine Lust, mit Nerds zusammenzuarbeiten.“ Doch was steckt hinter solchen
Aussagen? In erster Linie manifestieren sich in ihnen gesellschaftliche
Klischees und Stereotype. Oder anders: Die IT hat ein Imageproblem. In der
Gesellschaft hat sich falsches Wissen verbreitet und sich ein Bild etabliert, das mit der Realität nur noch entfernt etwas zu tun hat. Sie
denken zum Beispiel, dass die Informatik von Anfang an eine Männerdomäne gewesen
ist? Dann wissen sie vermutlich nicht, dass das Programmieren ursprünglich als
eine Arbeit für Bürokräfte von niedrigem Status angelegt wurde – und das
waren in der Regel Frauen. Erst nach und nach wurde diese Disziplin in ein
wissenschaftliches, männlich geprägtes Fach
mit hohem Status umtransformiert.
Doch sollte in der heutigen Zeit weder wissenschaftliches Können noch der
gesellschaftliche Status über das Geschlecht definiert sein. Zumal Geduld und
der Blick fürs Detail unerlässliche Eigenschaften für die Informatik sind – und
in dieser Hinsicht sind Frauen den Männern
oftmals überlegen. Auch dass man ein Genie in Mathe sein muss, ist ein Mythos,
und Programmieren kann jeder lernen, der strukturiert und logisch denken kann.
Auch das Bild des
soziophoben Nerds, der tagein und tagaus in einem dunklen Kämmerlein sitzt, an
Programmen schreibt und möglichst nichts mit Menschen zu tun haben möchte,
gehört in die Kategorie der klassischen Vorurteile. Wahrscheinlich gibt es diese Menschen,
aber sicherlich treten sie nicht häufiger auf als in anderen Sektoren auch. Der
Großteil des IT-Sektors beschäftigt sich auch nicht zwangsläufig nur mit dem
Schreiben von Programmen. Die Arbeitsfelder reichen von Engineering über
Consulting bis hin zum Management, die Branchen dabei von Handel hin zu
Finanzdienstleistung, Logistik und Sicherheit.
Die Lösung
scheint also zu sein, dass auf der einen Seite mit gängigen Vorurteilen aufgeräumt und klare
Verhältnisse geschaffen werden müssen. Auf der anderen Seite geht es aber auch darum,
das Selbstvertrauen der Frauen zu stärken und bessere Grundvoraussetzungen zu etablieren. Und das am besten so früh wie möglich. Zur Debatte steht schon seit längerer Zeit, die Informatik
als Pflichtfach in der Schule einzuführen. Das macht durchaus Sinn, denn der IT-Sektor
ist ein stetig wachsendes Feld, dessen Bedeutung – auch im Alltag – immer
weiter zunimmt. Länder wie Indien, Südkorea oder die USA sind Deutschland in
dieser Hinsicht bereits weit voraus. Bei uns gilt Informatik, zumindest für
einige Jahrgangsstufen und bisher nur in drei Bundesländern (Bayern, Sachsen,
Mecklenburg-Vorpommern) als Pflichtfach – selbst wenn es nach Expertenmeinung
mittlerweile zur Allgemeinbildung gehört.
Aktuell gibt es
einige Förderprogramme, Institute und Unternehmen, die sich auf den
Themenkomplex „Frauen in der IT“ spezialisiert haben und Aufklärungsarbeit
leisten. Einige davon wollen wir im Folgenden kurz vorstellen. Abschließend steht ein Gastkommentar von Frau Prof. Dr. phil Felizitas Sagebiel der Bergischen Universität Wuppertal, die ihre Einschätzung der vorgestellten Programme liefert.
FEMTEC - https://www.femtec.org - Die Femtec arbeitet mit ausgewählten
Technologie-Unternehmen und Universitäten zusammen und hat es sich zur Aufgabe
gemacht, zum einen junge Menschen für Ingenieur- und Naturwissenschaften zu begeistern,
aber auch, die beruflichen Ein- und Aufstiegschancen in den entsprechenden
Branchen zu verbessern sowie ein starkes Netzwerk zwischen Wissenschaft und
Wirtschaft zur Förderung des weiblichen Führungsnachwuchses aufzubauen. Um dies
alles zu gewährleisten, bietet die Femtec
für Schülerinnen und Schüler u.a. die Try it!-Workshops und andere
Nachwuchsprogramme an. Für Studierende gibt es z.B. das studienbegleitende
Careerbuilding-Programm. Und auch als Absolventin kann man im Femtec-Netzwerk weiterhin aktiv bleiben.
RAILS GIRLS BERLIN - http://railsgirlsberlin.de/
- Rails Girls Berlin ist die Berlin-Dependance und
sprichwörtliche kleine Schwester der Rails
Girls Finland. Rails Girls ist
eine Non-Profit Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Frauen für
das Programmieren und für die Informatik zu begeistern. Rails Girls bietet (kostenlose) Kurse rund um das Thema
„Programmierung“ an und führt an der Informatik interessierte Frauen an die
Thematik heran und bietet dabei zugleich den Vorteil, direkt in die Praxis
einsteigen zu können.
KOMM, MACH M.I.N.T. - http://www.komm-mach-mint.de/ - Der Nationale
Pakt für Frauen in MINT-Berufen möchte das Potential von Frauen für
naturwissenschaftlich-technische Berufe nutzen und fördern; gerade im Hinblick
auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Das
Projekt strebt an, ein realistisches und
klischeefreies Bild von ingenieur- und naturwissenschaftlichen Berufen zu
vermitteln, und entsprechend besonders die Chancen für Frauen in diesen
Bereichen aufzuzeigen. Junge Frauen sollen für naturwissenschaftlich-technische
Studiengänge interessiert und Hochschulabsolventinnen für Karrieren in
technischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen gewonnen werden. Zu diesem
Zweck wurden Projekte wie CyberMentor, MINTalente oder die VDE MINT AKADEMIE
ins Leben gerufen. Komm, mach MINT
ist ein überregionales Bündnis aus Bundesregierung, Bundesagentur für
Arbeit, Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, Hochschulen, Forschungs- und
Wissenschaftseinrichtungen, Frauen-Technik-Netzen, Medien und öffentlichen
Einrichtungen.
HS BREMEN - http://www.hs-bremen.de/internet/de/studium/stg/ifi/
- Die Hochschule
Bremen hat den Studiengang Internationaler
Frauen-Studiengang Informatik B.Sc.mit dem Schwerpunkt Softwareentwicklung
eingeführt. Der Studiengang erfolgt vorwiegend monoedukativ, das heißt, dass
grundlegende Veranstaltungen ausschließlich für Frauen und in Kleingruppen
angeboten werden. Erst ab dem 3. Semester besteht die Möglichkeit zu
koedukativen Kursen. Dieser Studiengang setzt keine Vorkenntnisse voraus und es
finden sowohl vor als auch studienbegleitend Tutorien statt, um den
Studienanfängerinnen den Start ins Studium zu erleichtern. Der Studiengang Internationaler
Frauen-Studiengang Informatik B.Sc.bietet einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss in
Informatik.
Gastkommentar
von Prof. Dr. Felizitas Sagebiel
„Es sind viele gute Anregungen und Hypothesen enthalten, aber was
mich daran stört, ist die Tendenz es den Frauen anzulasten. Geschlechterstereotype
bestimmen eine Kultur im Studium, im Beruf wie in der Gesellschaft. In diesem
Sinne taugt für die Ausbildung von den oben genannten Maßnahmen nur das Modell
der Monoedukation in Bremen, weil das an der Kultur ansetzt. An den angeblichen
Defiziten der Frauen anzusetzen, verändert die Strukturen und die Kulturen
nicht. In Männerdomänen wie dem IT oder den meisten Ingenieurwissenschaften wird
traditionelle Männlichkeit hoch gehalten, mit der Pflege entsprechender Netzwerke.
Und die sogenannten Gatekeeper haben kein Interesse daran, diese Situation zu
verändern. Man/frau kann also nicht so tun, als ob es nur an den
"Defiziten" der Frauen läge - seien sie fachlicher Natur, oder ein
vermeintliches geringeres Selbstvertrauen.“
Zur Person: Prof. Dr. phil. Felizitas Sagebiel ist außerordentliche Professorin
und promovierte Sozialwissenschaftlerin der Bergischen Universität Wuppertal.
Seit 2000 befasst sie sich mit dem Themenbereich Gender und Ingenieurwissenschaften.
Schwerpunkte der Forschung liegen auf Gender
und Bildung (in Schule und Hochschule, im Alter), geschlechtliche
Organisationskultur und “masculinities” in den Ingenieurwissenschaftens, sowie
Gender und Führung in den Ingenieurwissenschaften in unterschiedlichen
Organisationen.
Mehr zu Prof. Dr.
phil. Felizitas Sagebiel und ihrer Arbeit finden sie unter http://www.erziehungswissenschaft.uni-wuppertal.de/personen/weitere-personen/felizitas-sagebiel/zur-person.html
Weiterlesen: Nathan Ensmenger: Wie Programmieren eine Männerdomäne wurde (Making Programming
Masculine): http://homes.soic.indiana.edu/nensmeng/files/ensmenger-gender.pdf