13. Dezember 2024 - 21. März 2025

Frauen und die Angst vor der IT

Es ist kein Geheimnis: Der Anteil an Frauen in IT-Berufen ist verschwindend gering. Nicht nur, dass der Frauenanteil in konkret IT-bezogenen Studiengängen und Ausbildungsberufen sehr niedrig ist – auch Frauen in eigentlich stark weiblich geprägten Studiengängen wie BWL oder VWL entscheiden sich nur in den wenigsten Fällen für eine Karriere im IT-Sektor. Aber warum eigentlich?

Man könnte fast auf die Idee kommen, dass viele Frauen entweder keine Lust auf, zu viel Respekt oder schlicht Angst vor der IT haben. In Gesprächen fallen häufig Sätze wie: „Ich bin zu schlecht in Mathe“, „Ich habe Angst mich zu blamieren“ oder „Ich habe keine Lust, mit Nerds zusammenzuarbeiten.“ Doch was steckt hinter solchen Aussagen? In erster Linie manifestieren sich in ihnen gesellschaftliche Klischees und Stereotype. Oder anders: Die IT hat ein Imageproblem. In der Gesellschaft hat sich falsches Wissen verbreitet und sich ein Bild etabliert, das mit der Realität nur noch entfernt etwas zu tun hat. Sie denken zum Beispiel, dass die Informatik von Anfang an eine Männerdomäne gewesen ist? Dann wissen sie vermutlich nicht, dass das Programmieren ursprünglich als eine Arbeit für Bürokräfte von niedrigem Status angelegt wurde – und das waren in der Regel Frauen. Erst nach und nach wurde diese Disziplin in ein wissenschaftliches, männlich geprägtes Fach mit hohem Status umtransformiert. Doch sollte in der heutigen Zeit weder wissenschaftliches Können noch der gesellschaftliche Status über das Geschlecht definiert sein. Zumal Geduld und der Blick fürs Detail unerlässliche Eigenschaften für die Informatik sind – und in dieser Hinsicht sind Frauen den Männern oftmals überlegen. Auch dass man ein Genie in Mathe sein muss, ist ein Mythos, und Programmieren kann jeder lernen, der strukturiert und logisch denken kann.

Auch das Bild des soziophoben Nerds, der tagein und tagaus in einem dunklen Kämmerlein sitzt, an Programmen schreibt und möglichst nichts mit Menschen zu tun haben möchte, gehört in die Kategorie der klassischen Vorurteile. Wahrscheinlich gibt es diese Menschen, aber sicherlich treten sie nicht häufiger auf als in anderen Sektoren auch. Der Großteil des IT-Sektors beschäftigt sich auch nicht zwangsläufig nur mit dem Schreiben von Programmen. Die Arbeitsfelder reichen von Engineering über Consulting bis hin zum Management, die Branchen dabei von Handel hin zu Finanzdienstleistung, Logistik und Sicherheit.

Die Lösung scheint also zu sein, dass auf der einen Seite mit gängigen Vorurteilen aufgeräumt und klare Verhältnisse geschaffen werden müssen. Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, das Selbstvertrauen der Frauen zu stärken und bessere Grundvoraussetzungen zu etablieren. Und das am besten so früh wie möglich. Zur Debatte steht schon seit längerer Zeit, die Informatik als Pflichtfach in der Schule einzuführen. Das macht durchaus Sinn, denn der IT-Sektor ist ein stetig wachsendes Feld, dessen Bedeutung – auch im Alltag – immer weiter zunimmt. Länder wie Indien, Südkorea oder die USA sind Deutschland in dieser Hinsicht bereits weit voraus. Bei uns gilt Informatik, zumindest für einige Jahrgangsstufen und bisher nur in drei Bundesländern (Bayern, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern) als Pflichtfach – selbst wenn es nach Expertenmeinung mittlerweile zur Allgemeinbildung gehört.

Aktuell gibt es einige Förderprogramme, Institute und Unternehmen, die sich auf den Themenkomplex „Frauen in der IT“ spezialisiert haben und Aufklärungsarbeit leisten. Einige davon wollen wir im Folgenden kurz vorstellen. Abschließend steht ein Gastkommentar von Frau Prof. Dr. phil Felizitas Sagebiel der Bergischen Universität Wuppertal, die ihre Einschätzung der vorgestellten Programme liefert.


FEMTEC - https://www.femtec.org - Die Femtec arbeitet mit ausgewählten Technologie-Unternehmen und Universitäten zusammen und hat es sich zur Aufgabe gemacht, zum einen junge Menschen für Ingenieur- und Naturwissenschaften zu begeistern, aber auch, die beruflichen Ein- und Aufstiegschancen in den entsprechenden Branchen zu verbessern sowie ein starkes Netzwerk zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zur Förderung des weiblichen Führungsnachwuchses aufzubauen. Um dies alles zu gewährleisten, bietet die Femtec für Schülerinnen und Schüler u.a. die Try it!-Workshops und andere Nachwuchsprogramme an. Für Studierende gibt es z.B. das studienbegleitende Careerbuilding-Programm. Und auch als Absolventin kann man im Femtec-Netzwerk weiterhin aktiv bleiben.


RAILS GIRLS BERLIN - http://railsgirlsberlin.de/ - Rails Girls Berlin ist die Berlin-Dependance und sprichwörtliche kleine Schwester der Rails Girls Finland. Rails Girls ist eine Non-Profit Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Frauen für das Programmieren und für die Informatik zu begeistern. Rails Girls bietet (kostenlose) Kurse rund um das Thema „Programmierung“ an und führt an der Informatik interessierte Frauen an die Thematik heran und bietet dabei zugleich den Vorteil, direkt in die Praxis einsteigen zu können.

KOMM, MACH M.I.N.T. - http://www.komm-mach-mint.de/ - Der Nationale Pakt für Frauen in MINT-Berufen möchte das Potential von Frauen für naturwissenschaftlich-technische Berufe nutzen und fördern; gerade im Hinblick auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel. Das Projekt strebt an, ein realistisches und klischeefreies Bild von ingenieur- und naturwissenschaftlichen Berufen zu vermitteln, und entsprechend besonders die Chancen für Frauen in diesen Bereichen aufzuzeigen. Junge Frauen sollen für naturwissenschaftlich-technische Studiengänge interessiert und Hochschulabsolventinnen für Karrieren in technischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen gewonnen werden. Zu diesem Zweck wurden Projekte wie CyberMentor, MINTalente oder die VDE MINT AKADEMIE ins Leben gerufen. Komm, mach MINT ist ein überregionales Bündnis aus Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit, Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften, Hochschulen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen, Frauen-Technik-Netzen, Medien und öffentlichen Einrichtungen.

HS BREMEN - http://www.hs-bremen.de/internet/de/studium/stg/ifi/ - Die Hochschule Bremen hat den Studiengang Internationaler Frauen-Studiengang Informatik B.Sc.mit dem Schwerpunkt Softwareentwicklung eingeführt. Der Studiengang erfolgt vorwiegend monoedukativ, das heißt, dass grundlegende Veranstaltungen ausschließlich für Frauen und in Kleingruppen angeboten werden. Erst ab dem 3. Semester besteht die Möglichkeit zu koedukativen Kursen. Dieser Studiengang setzt keine Vorkenntnisse voraus und es finden sowohl vor als auch studienbegleitend Tutorien statt, um den Studienanfängerinnen den Start ins Studium zu erleichtern. Der Studiengang Internationaler Frauen-Studiengang Informatik B.Sc.bietet einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss in Informatik.

 


Gastkommentar von Prof. Dr. Felizitas Sagebiel


„Es sind viele gute Anregungen und Hypothesen enthalten, aber was mich daran stört, ist die Tendenz es den Frauen anzulasten. Geschlechterstereotype bestimmen eine Kultur im Studium, im Beruf wie in der Gesellschaft. In diesem Sinne taugt für die Ausbildung von den oben genannten Maßnahmen nur das Modell der Monoedukation in Bremen, weil das an der Kultur ansetzt. An den angeblichen Defiziten der Frauen anzusetzen, verändert die Strukturen und die Kulturen nicht. In Männerdomänen wie dem IT oder den meisten Ingenieurwissenschaften wird traditionelle Männlichkeit hoch gehalten, mit der Pflege entsprechender Netzwerke. Und die sogenannten Gatekeeper haben kein Interesse daran, diese Situation zu verändern. Man/frau kann also nicht so tun, als ob es nur an den "Defiziten" der Frauen läge - seien sie fachlicher Natur, oder ein vermeintliches geringeres Selbstvertrauen.“

Zur Person: Prof. Dr. phil. Felizitas Sagebiel ist außerordentliche Professorin und promovierte Sozialwissenschaftlerin der Bergischen Universität Wuppertal. Seit 2000 befasst sie sich mit dem Themenbereich Gender und Ingenieurwissenschaften. Schwerpunkte der Forschung liegen auf Gender und Bildung (in Schule und Hochschule, im Alter), geschlechtliche Organisationskultur und “masculinities” in den Ingenieurwissenschaftens, sowie Gender und Führung in den Ingenieurwissenschaften in unterschiedlichen Organisationen.

Mehr zu Prof. Dr. phil. Felizitas Sagebiel und ihrer Arbeit finden sie unter http://www.erziehungswissenschaft.uni-wuppertal.de/personen/weitere-personen/felizitas-sagebiel/zur-person.html


Weiterlesen: Nathan Ensmenger: Wie Programmieren eine Männerdomäne wurde (Making Programming Masculine): http://homes.soic.indiana.edu/nensmeng/files/ensmenger-gender.pdf

 



© www.erp4students.at   Montag, 12. Mai 2014 14:35 Schnaithmann
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