24. Mai 2024 - 22. September 2024

21. Mai 2024

Work-Life-Balance – Oder die Frage: Was wird hier eigentlich überbewertet?

Die einen sagen, die Chefs von morgen seien Weicheier, die Freizeit und Familie der Karriere vorziehen würden und lieber ein Sabbatical einlegen, als sich dem Stress und Erfolgsdruck einer Spitzenposition aussetzen zu müssen. Die anderen sagen, dass sich die Berufseinsteiger von heute durch die zunehmende Technologisierung dauerhaft auf Abruf befinden und sich ruhig mal eine Auszeit gönnen soll(t)en. Der Burn-Out gilt als Volkskrankheit Nummer eins, nur: ein ausgebrannter Mitarbeiter ist kein guter Mitarbeiter. Fest steht jedenfalls, dass sich sowohl Wirtschaft als auch Gesellschaft an einem Wendepunkt befinden. Die wichtigste Frage ist nun wohl, wie sich beide Seiten am besten einigen können. 

 

Gesucht ist das perfekte Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, die sogenannte Work-Life-Balance. Denn nur ein erholter Mitarbeiter kann seine Kreativität und sein Arbeitspotential voll ausschöpfen. Von Erholung zu sprechen, ist in der Regel allerdings leichter gesagt, als getan. Wichtig ist vor allen Dingen das individuelle Setzen von Prioritäten – doch damit fängt in den meisten Fällen der Ärger erst an.

Die Absolventen, die dieser Tage ins Berufsleben drängen, sind Repräsentanten der Generation Y, Millenials, Digital Natives. Soziologisch betrachtet, sind das Menschen, die um die Jahrtausendwende Teenager gewesen sind. Sie sind technologieaffin und im Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen. Sie sind optimistisch, selbstbewusst, kritisch und bringen sich durch passiven Widerstand ins politische Geschehen ein. Kurzum: Sie sind Idealisten und gewöhnt an die moderne Kommunikationsgesellschaft. Genau das ist der Punkt, an dem die eigenen Ideale mit denen der Unternehmen konkurrieren. Auf der einen Seite der Druck der ständigen Erreichbarkeit und der verlangte Einsatz im Büro - auf der anderen das Festhalten an den eigenen selbstdefinierten Werten. Da kann man schon mal durcheinanderkommen.

Und wie soll man sich unter solchen Umständen überhaupt erholen und für eine ausgewogene Work-Life-Balance sorgen? Zudem sind den Millenials Werte wie Familie, Freundschaft und Freizeit wichtiger als Führungspositionen, Managergehälter oder sonstige monetäre Anreize. Nur befindet sich die Gesellschaft in einem demografischen Wandel und die Berufseinsteiger von heute sind die Chefs von morgen. Nur scheint kaum ein Millenial auch wirklich Chef sein zu wollen. Die High Potentials sind da, nur wollen sie unter den aktuellen Voraussetzungen keine Verantwortung übernehmen. Was sich abzeichnet, ist ein Paradigmenwechsel. Nicht zwangsläufig weniger Arbeit, dafür aber eine flexiblere Zeiteinteilung sind erwünscht. Keine starren Strukturen und der Feierabend nach Vorgabe, sondern Freizeit, wenn man sie auch wirklich benötigt. Die neuzeitlichen Kommunikationsstrukturen müss(t)en dafür nur entsprechend genutzt werden und der Alltag vieler Menschen könnte sich innerhalb kürzester Zeit enorm verbessern. Zumindest theoretisch.

Doch wie erstrebenswert ist ein solcher Wandel tatsächlich? Arbeitet ein Angestellter von Zuhause aus, verschwimmen leicht die Grenzen von Berufs- und Privatleben. Der Druck erhöht sich, zum Beispiel auch noch kurz vor dem Schlafengehen seine Mails zu checken. Kritiker bemängeln zudem, dass sich das Home Office negativ auf die Arbeitsmoral auswirkt. Weil man nicht ernsthaft kontrolliert wird, wird man faul und nachlässig. Was bei dieser Argumentation jedoch nicht berücksichtigt wird: Am Ende des Tages zählen nicht die Stunden, die man vor dem Computer verbracht hat, sondern die Ergebnisse, die man vorweisen kann. Und tatsächlich sieht die Realität manchmal genau gegenläufig aus. Oftmals sitzen die Angestellten 10 Stunden im Büro und schaffen am Ende doch nichts, weil sie sich die ganze Zeit darüber beklagen, wie viel sie noch zu tun haben. Oder weil sie allgemein unzufrieden und deshalb unmotiviert sind. Dennoch halten viele Chefs an dem Gedanken fest, dass „richtige Arbeit“ nur an einem Arbeitsplatz außerhalb der eigenen vier Wände geleistet werden kann. Arbeiternomadentum ist bei konservativen Unternehmen nicht gerne gesehen, wird von Arbeitnehmern aber trotzdem immer wieder (ein)gefordert.

Eine andere Möglichkeit, wie man eine ausgeglichene Work-Life-Balance zumindest simulieren kann, ist es, die Freizeit ins Büro zu holen. Vorreiter dieser Wohlfühl-Arbeitspolitik ist das Internet-Unternehmen Google, das nicht zuletzt auch deswegen zu den beliebtesten Arbeitgebern der Welt zählt. Es gibt keinen Dresscode, in den Büros stehen Kickertische und Sitzsäcke. Die Cafeterien gleichen Restaurants und die Firmenzentrale in Dublin soll bald sogar über einen eigenen Swimmingpool verfügen. Es gibt auch sogenannte Snoozle-Räume, die den Mittagsschlaf zur Leistungsoptimierung erlauben. Alles ist googly, das heißt hip, kreativ und cool. Aber diese Simulation eines perfekten Arbeitsplatzes wird spätestens dann zum Problem, wenn man realisiert, dass man sich seine Freizeit auf diese Weise nicht selbst gestaltet, sondern gestaltet bekommt. Dem Arbeitnehmer wird suggeriert, sich ein Stück Privatsphäre mit zur Arbeit nehmen zu dürfen. Tatsächlich kann das Private schnell zur Unternehmensangelegenheit werden.

Und wieso nicht einfach einen klassischen 9to5-Job im Büro? So schafft man klare Grenzen und kann nach getaner Arbeit seinen Feierabend genießen. In der Theorie eine gute Lösung, der in der Praxis die Feierabends-Mystifizierung gegenüber steht. Das starre Bild der Arbeit fordert in den Köpfen die repressive Antithese zum Job-Alltag in Form der perfekten Freizeitgestaltung als unumgänglichen Ausgleich – und evoziert damit unterbewusst einen Erfolgsdruck für den Feierabend, wie man ihn eben genauso schon von der Arbeit kennt. Aber gute Momente sind eben nicht berechen- oder gar erzwingbar. Was ist, wenn Frau und Kinder einen nicht mit offenen Armen, sondern mit grimmigen Gesichtern empfangen? Wenn sich der After-Work-Sport als nur semi-ausgleichende und eher öde Beschäftigung entpuppt? Zudem können sich Wünsche wie Selbstverwirklichung, Ruhe, Liebe sowie Auslastung und Event gegenseitig im Weg stehen, wenn das Zeitfenster zwischen gerade beendetem und noch nicht wieder begonnenem Arbeitstag nur kurz geöffnet ist.

Und jetzt? Nun, die perfekte Work-Life-Balance – die gibt es. Nur scheint das ideale Umsetzungskonzept noch nicht entwickelt. Oder sagen wir eher: auf jedes Individuum trifft wohl ein anderes zu. Während sich der eine nur im Büro konzentrieren kann, arbeitet der Nächste im heimatlichen Ambiente sehr viel effektiver. Dartscheiben im Büro können die Angestellten ablenken, oder aber den Geist während einer Blockade für neue Ideen öffnen. Der mittägliche Powernap ist – Google einmal ausgenommen – weitestgehend verpönt, obwohl er bewiesenermaßen die Effizienz der Mitarbeiter steigern kann (http://blogs.hbr.org/schwartz/2010/09/why-companies-should-insist-th.html). Wie man sieht, prallen hier nicht nur Individualfälle, sondern mitunter schlicht ein unterschiedlicher Arbeitsethos aufeinander. Aber: Nur wer zufrieden arbeiten kann, kann auch zufrieden Feierabend machen. Und dann stimmt wiederum auch die Work-Life-Balance. Ein kleiner Tipp: Bloß nichts überbewerten, aber auch bloß nichts vernachlässigen. Arbeit ist Arbeit, kann und sollte aber durchaus Spaß machen. Und der Feierabend ist nicht perfekt, wenn man auf Teufel komm raus zur nächsten After-Work-Party hechtet. In der Regel gilt immer: Hören Sie auf ihren Körper – und Ihr Herz. Schaffen Sie sich selbst Grenzen und Freiräume. Feiertage sind Feiertage und Reisezeiten kann man nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zur Erholung nutzen. Ausgeglichenheit beginnt im Kopf. Sie sind der Meinung, sie benötigen einen Mittagsschlaf oder das Home-Office zur Leistungssteigerung? Dann recherchieren Sie entsprechende Artikel und machen Sie Ihrem Chef ein Angebot, dass er nicht ausschlagen kann. Denn welcher Chef akzeptiert nicht das Argument der Effizienzsteigerung? Und so können Sie am Ende des Tages auch beide viel entspannter in den Feierabend starten. Die nächste After-Work-Party wartet sicher schon.

 

 



© www.erp4students.at   Montag, 22. Juli 2013 10:55 Schnaithmann
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